Bürgerinitiative gegründet

„Menschenschutz statt Strahlenschmutz!“, „Bei uns soll nur die Sonne strahlen!“, „Kinderstrahlen statt Strahlenschmutz!“ Das steht auf Plakatentwürfen, mit denen die Bürgerinitiative „Leeden lebt“ ihr „Nein zu 380kV durch Leeden“ zum Ausdruck bringen möchte. Am Montag kamen rund 100 interessierte und besorgte Bürger in der Remise zusammen, um diese Initiative zu gründen mit dem Ziel, dass ein gemeinsames Vorgehen gegen die von der Amprion GmbH erwogene Trassenführung abgestimmt werden kann. Denn die 380 Kilovolt-Freileitung könnte den laufenden Planungen zufolge in unmittelbarer Nähe des Siedlungsbereiches Lohesch verlaufen, deutlich unter den aus gesundheitlichen Gründen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabständen.
„Eine oberirdische Trassenführung ist eine Katastrophe, mit einer Erdverkabelung wäre schon viel gewonnen“, lautet eine Hauptforderung, für die Franz-Josef Plantholt sich in der Bürgerinitiative engagiert. Mit anderen aktiven Bewohnern der Lohesch-Siedlung stellte er bereits einige angedachte Maßnahmen vor.
So soll ein Fotoshooting durch Moritz Fähse die Personen und ihre Wohneinheiten vorstellen, die durch den Trassenverlauf betroffen wären. Die Homepage www.leeden-lebt.de ist schon online, wird aber in den nächsten Tagen mit weiteren Informationen aufwarten. Bauzäune sollen mit Plakaten das Ansinnen der Initiative verdeutlichen, Aufkleber mit QR-Codes die Öffentlichkeit sensibilisieren. „Der Menschenschutz ist unser Hauptargument“, erörterte die Mitstreiterin Claudia Casamento.
Die Bewohner treibt die gemeinsame Sorge um, dass ihre „Gesundheit im betroffenen Abschnitt wirtschaftlichen und nicht zuletzt energiepolitischen Zielen zuliebe geopfert wird“. Es gehe um rund ein Sechstel der Bevölkerung des Stiftsortes. Von Lärmbelästigung, Leukämiegefahr und „medizinsch schwammigen Aussagen“ zur Elektrostrahlung ist die Rede.
„Vor der Strahlung möchten wir besonders die minderjährigen Mitbewohner schützen“, macht Franz-Josef Plantholt deutlich. Im Bereich des Loheschs, der komplett im eigentlich vorgesehenen Abstand von 400 Metern liegt, der bei einem 380 kV-Trassenneubau einzuhalten ist, lebten 46 Personen, die unter 18 Jahre seien. Und davon seien 29 sogar noch jünger als zehn Jahre.
„Das Zauberwort heißt Trassenbündelung“, wirbt Plantholt um Unterstützung. Eine 110kV-Bestandstrasse verlaufe dort bereits. „Pro kV ist ein Abstand zu Wohngebäuden von mindestens einem Meter einzuhalten“, erklärt Franz-Josef Plantholt, warum der derzeitige Abstand von 148 Metern passend sei.
Eine rechtliche Änderung aus dem Jahr 2019 gestattet es jedoch, „dass Bestandstrassen genutzt werden können“. Wenn aber zu der bestehenden 110kV-Trasse eine 380kV-Trasse hinzukäme, wären 490kV-Stromtrassen vorhanden „mit komplett unterschrittenem Mindestabstand“. Einhelliger Tenor der Initiatoren: „Das kann nicht sein!“
In dem betroffenen Bereich wären laut Anwohner Tim Lange „die mit Abstand meisten Menschen betroffen“. Über die Auswertung von Luftaufnahmen im Internet hat er händisch nachgezählt: „187 Wohneinheiten sind betroffen“. Einsehbare Karten zeigen deutlich, dass von Straßen mit dichter Besiedlung wie Ostlandweg, Fürstenstraße, Lohgarten, Lohesch oder Natrup-Hagener-Straße die Rede ist, die weniger als 400 Meter von der Trasse entfernt liegen.
Die Versammlung machte ihrem Unmut Luft. „Amprions Informationspolitik ist schlecht“, monierte ein Versammlungsteilnehmer. Erst vor gut zwei Wochen hätten die Menschen davon erfahren, „obwohl die Planungen im Hintergrund wohl schon mindestens zwei Jahre laufen“.
Insgesamt ist auch die Informationsbeschaffung schwierig. Zwar berichtet Ratsmitglied Felix Kessens, selbst auf dem Lohesch zu Hause, von der Position der Stadt Tecklenburg und den geringen Erfolgsaussichten beispielsweise einer Petition, doch viele benötigte Informationen sind nur schwer erhältlich.
Ist eine Erdverkabelung tatsächlich sechs- bis achtmal so teuer wie drei Strommasten pro Kilometer Trassenverlauf von 60 bis 80 Metern Höhe, die ja gerade auch durch Korrison und ihre Fundamente viel wartungsintensiver seien? Ein Versammlungsteilnehmer sprach von Kosten, die wohl eher rund doppelt oder dreifach so hoch sind. Vielleicht sei juristischer Beistand erforderlich, da Klagen nur von Grundstückseigentümern zulässig seien, auf deren Gelände die Trasse verlaufe.
Teilnehmer aus Lienen und Hagen a.T.W. waren ebenfalls bei der Gründungsversammlung zugegen, da die geplante Trasse, die Leeden streift, ebenfalls dort verlaufen soll. „Wir müssen alle an einem Strang ziehen“, meinte eine Teilnehmerin aus Holperdorp, wofür sie viel Beifall bekam.
Nadine Steinigeweg schrieb in der Remise das Gründungsprotokoll der Bürgerinitiative, das bei der Stadt eingereicht werden soll. Felix Kessens will den „Entwurf einer Stellungnahme verfassen“, denn das „Schutzgut Mensch muss mit einbezogen werden“.
Doch auch Naturbezogenheit solle nicht unbeachtet bleiben. So warben die Organisatoren für das Beobachten und Dokumentieren seltener Tiere, die im Trassenverlauf etwa Brut- und Nistplätze haben.
Da für die Arbeit und Materialerstellung Geld gebraucht wird, ging eine Sammelkasse durch die Reihen in der Remise, denn „die Werbeausgaben werden steigen“, so Plantholt. Ein Verein könne zwar Spendenquittungen ausstellen, jedoch sei allein das Erstellen einer Satzung viel zu zeitaufwendig, ließ Franz-Josef Plantholt die Anwesenden wissen. Bauzäune und Helfer werden dringend gesucht, denn: „Wir wollen nicht übersehbar sein!“
Als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Leeden animierte Gerhard Wellemeyer „landes- und bundespolitische Kontakte“ zu nutzen. Auf dem Feierabendmarkt könnten Unterschriften gesammelt werden.
Die neu gegründete Bürgerinitiative bittet um Unterstützung. Sie hofft, dass künftig noch mehr besorgte Menschen zu den Versammlungen kommen, die von nun an jeden Montag um 19 Uhr an der Remise abgehalten werden sollen. „Für jeden guten Tip sind wir dankbar“, ließ Franz-Josef Plantholt die Gründungsversammlung wissen.

Quelle: WN, Björn Igelbrink