Amprion informiert im Ausschuss über Stromtrasse
Über 350 Leute im Saal, und noch einmal gut über 100, die keinen Platz mehr fanden und die Sitzung im Regen stehend verfolgten: Das Interesse an den Stromtrassen von Amprion ist groß. Die Menschen sind bewegt und besorgt.
Im Saal der Gaststätte Antrup war kein Platz mehr frei. Sogar draußen standen noch über 100 Interessierte, die durch geöffnete Fenster zuhörten.
Drei mögliche Korridore gebe es, jeweils einen Kilometer breit und quer durch das Stadtgebiet mit seinen Ortsteilen und Landschaftsschutzgebieten. Es sei für ihn nicht vorstellbar, dass dieser geschützte Bereich durch eine Trasse zerstört werde, erläuterte Bürgermeister Stefan Streit und versprach den Betroffenen Unterstützung.
Mit den Leitungen soll Windstrom aus dem Norden in den Süden transportiert werden, und zwar per Hochspannungsleitung von Westerkappeln nach Gersteinwerk. Laut Bundesgesetz sei dieses Vorhaben, das im übergeordneten staatlichen Interesse liege, umzusetzen. Erdkabel seien auf Tecklenburger Gebiet nicht einmal in Teilbereichen vorgesehen, so Streit. „Das ist eine Katastrophe für die Region“, fand er deutliche Worte. Er lehne das aufs Schärfste ab.
Absurde Konfliktsituation
Die verschiedenen möglichen Trassen seien nicht nur unschön, sondern brächten Tecklenburg in eine absurde Konfliktsituation mit den ebenfalls möglicherweise betroffenen Nachbarkommunen. Aber: „Wir werden uns nicht auseinanderdividieren lassen.“ Die Bürgermeister aus Ladbergen, Lengerich, Lienen und Tecklenburg würden gegensteuern. Gemeinsam werde man eine Petition starten für eine Erdverkabelung.
Nichtsdestotrotz stellte Amprion-Projektsprecher Michael Weber die Pläne für die Hochspannungsleitung vor. Sein Unternehmen habe den gesetzlichen Auftrag, das Vorhaben umzusetzen. Da man sich abgewendet habe von fossiler Energie, würden nun Leitungen für den Transport des von Windkraftanlagen produzierten Stroms benötigt.
Masten zwischen 55 und 70 Meter hoch
Vorgesehen sei eine Höchstspannungsfreileitung über 85 Kilometer. Die Höhe der Masten liege zwischen 55 und 70 Meter. Pro Kilometer sollen drei Masten entstehen mit jeweils zwischen 22 und 42 Meter breiten, beidseitigen Schutzstreifen. Frank Gisder von der Amprion erläuterte anschließend ausführlich das Verfahren der Suche nach einer geeigneten Trasse.
Dann war Gelegenheit, Fragen zu stellen. Zunächst konnten sich die Ausschussmitglieder äußern. Pascal Uhlmann (Grüne) kritisierte, dass drei bis vier Trassen statt einer Einzigen vorgeschlagen würden und man so versuche, die betroffenen Kommunen gegeneinander auszuspielen. Und Silke Sundermann (SPD) wollte konkret wissen, nach welchen Kriterien die Trassen ausgewählt würden. Die Antwort von Michael Weber blieb schwammig: Natur-, Umwelt- und Artenschutz, Wohnbebauung zählte er auf, ohne ins Detail gehen zu wollen. Nähere Informationen über den Kriterienkatalog werde es erst im Herbst geben – wenn die Unterlagen bereits bei der Bezirksregierung eingereicht sind. Dann beginnt das Beteiligungsverfahren. Der Kriterienkatalog umfasst rund 200 Punkte. Dass diese nicht zuvor bekannt gegeben werden, bezeichnete Frank Nowroth (SPD) als „ein absolutes Unding“.
Abstände zur Wohnbebauung
Welche Abstände zu Wohnhäusern eingehalten werden müssen, wollte Wieland Fortmeyer (CDU) wissen? Das setze das Land fest, erklärte Lara Mellies, bei Amprion zuständig für Genehmigungsverfahren. Die neue Trasse halte im Außenbereich 200 Meter Abstand und im Innenbereich 400 Meter. Wohnhäuser würden nicht überspannt. Es könne aber auch Ausnahmen geben und die Abstände unterschritten werden.
Und wie sieht es mit Kompensationsmaßnahmen und Entschädigungen aus. Das interessierte Frank Nowroth. Schließlich müssten die massiven Eingriffe in die Natur kompensiert werden. Und das müsse in der Nähe geschehen, wenn „sie schon unsere Natur kaputt machen“.
Das werde auch lokal geschehen und sei gesetzlich geregelt, so Frank Gisder. Eine Entschädigung gebe es nur für die direkt betroffenen Grundstückseigentümer, fügte Michael Weber hinzu.
Enteignung möglich
Und was passiert, wenn sich jemand weigere, Masten auf seinem Grundstück aufstellen zu lassen, fragte Silke Sundermann. Dann werde man das Gespräch suchen. Und wenn das nichts bringt? Nach dem Planfeststellungsbeschluss und der Baugenehmigung werde gebaut. Bedeutet das Enteignung? „Ja, wir brauchen den Zugang.“
Und warum sollen keine Erdkabel verlegt werden? Auf diese Frage sei seitens Amprion noch gar nicht eingegangen worden, bemängelte Michael Reiffenschneider (CDU). Dadurch ergebe sich ein deutlich höherer Preis, so Michael Weber: das Sechs- bis Achtfache. Es gebe Pilotprojekte Teilerdverkabelung, die man benötige, um zu sehen, wie das Netz in punkto Betriebs- und Systemsicherheit darauf reagiere. In dem Bereich, über den diskutiert wurde, sei kein Pilotprojekt vorgesehen.
Warum denn nicht bereits bestehende Trassen ausgebaut würden, wollte Dominic Hoge (CDU) wissen. Das werde zwar auch gemacht, gehe aber nicht bei allen Trassen, antwortete Michael Weber. Und auch dann müssten neue Masten gebaut werden.
Die Karte zeigt mögliche Trassenverläufe.
Auch die Öffentlichkeit bekam in der von Dr. Felix Kessens (SPD) sehr souverän geleiteten Sitzung Gelegenheit, Fragen zu stellen. Benedikt Schneebecke aus Ledde, über dessen landwirtschaftliche Flächen die Trasse komplett geht, interessierte sich für die Wahrscheinlichkeit, dass doch noch Erdkabel verlegt werden. Dazu müsse das Bundesbedarfsplangesetz geändert werden, verwies Michael Weber nach Berlin. Wenn eine Fläche dort nicht als Pilotprojekt Teilverkabelung verankert sei, müssten Freileitungen geplant werden. Er riet dazu, auf die Politik zuzugehen.
Es gab noch einige Fragen, unter anderem zur Leitungsbündelung und zum Grundwasserschutz, bevor Felix Kessens die Bürgerfragestunde beendete. „Wir werden alle nicht mit einem besonders guten Gefühl nach Hause gehen, sind aber besser informiert als vorher.“
Die Stadt wird nun, so der Beschluss des Ausschusses, einen qualifizierten Rechtsbeistand hinzuziehen, der sie bei der Forderung nach Erdverkabelung unterstützt und zudem Beistand leistet bei der Stellungnahme, zu der die Stadt im Herbst aufgefordert wird im Rahmen des Verfahrens. Das gilt auch für Ladbergen, Lengerich und Lienen.
Quelle: WN