Gaststätte Wellemeyer – Zur Post ist 150 Jahre alt – Wo aus Gästen Freunde werden

Dreimal in der Woche bekommen sie abends Besuch, der auch schon mal etwas länger bleibt. Bei einem Bierchen wird dann erzählt, diskutiert oder auch geknobelt. Die Gastgeber: Christa und Gerhard Wellemeyer. In der Gaststätte Wellemeyer − zur Post stehen sie hinter dem Tresen und bewirten die Gäste, so, wie es in ihrer Familie Tradition ist: seit 150 Jahren.

Die Gaststätte wurde immer im Nebenerwerb betrieben. Und da sie auch die Poststelle beherbergte, sollte der junge Gerhard Wellemeyer seinen beruflichen Werdegang bei der Post starten – was aber nicht sein Wunsch war. „Ich habe großes Glück gehabt, die Post hatte damals Einstellungsstopp“, erinnert er sich. Stattdessen ging er ins Bankwesen, wurde Firmenkundenbetreuer bei der Deutschen Bank in Osnabrück.

In der Gaststätte allerdings hat er immer mitgeholfen, schon als Kind. Und da gab es natürlich auch einige Geschichten und Anekdoten. Damals wurde zum Beispiel die Rente bar in der Poststelle ausgezahlt. Da hätten die Leute schon morgens Schlange gestanden. Und während dann die Frauen im Textilgeschäft, das seine Eltern ebenfalls betrieben, einkaufen waren, seien die Männer in die Kneipe gegangen.

Damals hatte die Gaststätte auch an Heiligabend geöffnet. Und dann kam der eine oder andere Gast, um nicht nur ein Bierchen zu trinken, sondern im Geschäft auch noch ein eiliges Weihnachtsgeschenk für seine Frau zu kaufen, eine schöne Tischdecke zum Beispiel. „Martha, pack mir mal was ein“, habe es dann geheißen. Gerhards Mutter Martha Wellemeyer suchte dann das passende Geschenk aus.

Was es immer gab und auch heute noch gibt: den Sparkasten, in dem Stammkunden ihre Fächer haben und regelmäßig Geld einwerfen. Nummer 21 ist das Vergnügungsfach, erzählt der Gastronom. Da hinein kommt das Trinkgeld. Und davon gibt es dann beim Sparfest, das immer Mitte November stattfindet, ein Fass Bier.

Die Geschichte des Hauses Wellemeyer begann, als der Urgroßvater des jetzigen Inhabers Gerhard Wellemeyer, Wilhelm Wellemeyer, die Gaststätte 1874 von Rudolf Henning übernahm, der sie 1859 gegründet hatte. Dessen Ehefrau Wilhelmine, geborene Osterhaus, war im Februar 1874 verstorben. Der Witwer blieb mit sieben unmündigen Kindern zurück und sah sich gezwungen, die Gastwirtschaft zu verkaufen.

Wilhelm Wellemeyer erhielt die Konzession am 25. Juni 1874. Damals wurde verfügt, dass neben der Gastwirtschaft auch eine Herberge für wandernde Handwerksgesellen einzurichten sei. Betrieben wurde das Lokal damals in einem Fachwerkgebäude neben dem heutigen Haus. 1906 erfolgte der auch noch heute genutzte „Neubau“ durch den Großvater Gustav Wellemeyer.

In der inzwischen 150-jährigen Geschichte wurde die Gaststätte immer im Nebenerwerb geführt. Bis Ende der 1950er-Jahre gab es zusätzlich eine kleine Landwirtschaft. Nach der Währungsreform gründeten Gustav und Martha Wellemeyer einen Textilwareneinzelhandel, der bis Mitte der 80er-Jahre betrieben wurde.

1958 wurde im Hause Wellemeyer die Poststelle Leeden eröffnet, die zunächst von Gustav Wellemeyer, nach dessen Pensionierung von seiner Frau Martha und anschließend bis zur Schließung im August 1999 von Schwiegertochter Christa Wellemeyer geführt wurde. Sie kümmerte sich auch um Martha und eine im Haus wohnende Tante. „Ich hatte 25 Jahre lang zwei Schwiegermütter“, erzählt sie schmunzelnd.

Nach der Übernahme der Gaststätte durch Christa und Gerhard Wellemeyer in vierter Generation Anfang 2000 wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt. Die „Kleine Kneipe bei uns hier in Leeden“ präsentiert sich jetzt als ein gemütliches Lokal, in dem sich die jungen und alten Leedener zu einem gemütlichen Plausch, zum Schocken (Knobeln) vor der Theke oder zum Kartenspiel treffen.

Regelmäßig finden jeden Montag der seit über 50 Jahren tagende Senioren-Stammtisch und auch die „Montagsrunde“ – entstanden aus Mitgliedern des Kirchenchores − statt. Ab Mai 2024 gibt es einen neuen Stammtisch junger Frauen unter dem Motto „Mutti geht zur Post“.

Die Gaststätte ist das Vereinslokal der Interessengemeinschaft Leeden, der Kameradschaft ehemaliger Soldaten und des Posaunenchors. Aber auch andere Vereine wie der Schützenverein Leeden von 1665, die Alte-Herren-Fußball-Abteilung des BSV Westfalia Leeden/Ledde, der Förderverein der Grundschule, der Arbeitskreis „Energie für Leeden“ der IG, die Frauensportgruppe „Lady Power“ und auch eine weitere Männersportgruppe sowie örtliche Parteien führen hier Versammlungen, Treffen oder Weihnachtsfeiern durch. Die aktive Herren-Mannschaft des BSV ist regelmäßig freitags nach dem Training zu Gast.

Das jährliche Doppelkopf- und Knobelturnier des Schützenvereins Ende März und das Spar-Fest des Sparclubs (fast 60 Mitglieder) sind bei den Gästen sehr beliebt und sorgen für ein volles Haus. Und jetzt – zum 1. Januar – jährt sich die Übernahme der Gaststätte Wellemeyer durch Christa und Gerhard zum 25. Mal – also ist es quasi ein „Silbernes Kneipen-Jubiläum“, das die beiden mit ihrer Familie und ihren Stammgästen begehen können.

Ans Aufhören denken die beiden 70-Jährigen noch nicht. Es macht ihnen nach wie vor viel Freude, hinter dem Tresen zu stehen. „Die Gäste, die wir haben, sind wirklich nett“, betont Christa Wellemeyer. So manche Freundschaft ist entstanden. „Es ist eine Kneipe, in der man die Leute kennt und wo viel erzählt wurde und wird.“ Und nicht nur die Gäste, sondern auch die Vereine würden merken, wie gut es sei, vor Ort noch eine Kneipe zu haben, fügt Gerhard Wellemeyer hinzu.

Die Gaststätte zu betreiben, ist ihr Hobby, für das sie sich montags, dienstags und freitags jeweils ab 17 Uhr Zeit nehmen. In dem gemütlichen Ambiente fühlen sich die Gäste wohl. Und wenn sich der eine oder andere mal etwas länger auf der Toilette aufhält, liegt das an der besonderen Deko dort, für die Christa Wellemeyer ein Faible hat: Karten mit Sprüchen laden zum Schmunzeln ein, zum Beispiel „Kein Mann ist perfekt, aber die aus Leeden sind verdammt nah dran“. Und Gerhard Wellemeyer ist stolz auf eine Leinentasche mit dem Aufdruck „Das Schönste an Hagen a.T.W. ist die Straße nach Leeden“.

Bei beiden ist es deutlich zu spüren: Sie lieben ihr Heimatdorf, ihre Gäste und ihre Kneipe. Und sie kommen gerne einer Aufforderung des Amtmanns von Pöppinghausen aus dem Jahr 1867 nach: „Da mehrfache Klagen laut geworden sind, dass in den Wirtschaften der Gemeinde Leeden selten Bier zu haben sei, so werden die Wirthe der genannten Gemeinde in ihrem eigenen Interesse, bei Vermeidung anderweitiger Maßregeln, hiermit aufgefordert, diesem Übelstande schleunigst abzuhelfen.“

Quelle: WN