Varus-Schlacht in den Habichtswald?

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Vor 125 Jahren: Osnabrücker Gymnasialdirektor verlegt die Varus-Schlacht in den Habichtswald Wissenschaftler lachen sich schlapp

Tecklenburg-Leeden – Vor 125 Jahren geriet die Leedener Bauerschaft Loose in den Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Diskussion. Losgetreten hatte die der Gymnasialdirektor Dr. Friedrich Knoke. Der war überzeugt, im Habichtswald die Reste eines römischen Lagers entdeckt zu haben. Genächtigt hatten dort, davon war er überzeugt, die Truppen des Varus, bevor sie gegen die Germanen unterlagen.

Vielleicht waren sie ja doch hier? Vor 125 Jahren wurde der kleine Stiftsort Leeden zum Brennpunkt der Suche nach der legendären Varusschlacht und auch heute noch haben die damals mehrfach stattgefundenen Grabungen im Looser Habichtswald Auswirkungen auf verschiedenste Kreise. Heimatfreund Jörg Wahlbrink hat sich auf die Spurensuche nach nicht vorhandenen Gebeinen der verlorenen Garnisonen und dem Geist des alten Varus gemacht: „Sicherlich, der Ort der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 nach Christus ist höchstwahrscheinlich im niedersächsischen Kalkriese zu lokalisieren. Die Forschung nach dem wahren Ort der Schlacht tobte über Jahrhunderte, zwischenzeitlich gelangte die Bauernschaft Loose in das Zentrum der historischen Spurensuche. Heute noch wird jährlich eine Fahne, die einen römischen Legionär ziert, mehrfach durch das damals vermutete Schlachtgebiet getragen. Außerdem besaß ein in unmittelbarer Nähe befindlicher Gasthof hundert Jahre lang den Namen ‚Römerkrug‘.

Ein römischer Legionär hat auf der Fahne des Schützenvereins „überlebt“
Starten wir unsere Expedition jedoch mit modernen Mitteln. Spurensuchen beginnen häufig erstmals mit dem amerikanischen Suchdienst Google: Auf die Anfrage ‚Römerlager Habichtswald Tecklenburg‘ auf Google Maps erscheint sogleich ein Kartenausschnitt vom gleichnamigen Looser Wanderparkplatz. Das als Römerlager titulierte Areal befindet sich oberhalb des Ascheplatzes des lokalen Fußballvereins in südlicher Richtung bis zum beschriebenen Parkplatz.

In dem dortigen Buchen- und Fichtenwald gibt es tatsächlich eine Wallanlage in Form eines riesigen Parallelogramms. Im Inneren eine weitere wesentlich kleinere rechteckige Umwallung. Beide fast durchgängig heute maximal einen Meter hohe Wälle durchziehen den Wald – eingerahmt von der Autobahn A1 in westlicher und der Kreisstraße „Am Habichtswald“ in nordöstlicher Richtung.

Für Dr. Friedrich Knoke war es das letzte Rückzugslager der Truppen des Varus
Der damalige Direktor des Osnabrücker Ratsgymnasiums Dr. Friedrich Knoke deutete dies vor 125 Jahren als letztes Rückzugslager der Römer vor dem finalen Sieg der Germanen. Kämpfe hätten in den Sümpfen zwischen Leeden und Loose stattgefunden. Zusätzlich fand er ein Steinbeil und zwei Feuersteinspitzen bei seinen Grabungen. Nachzulesen ist dieses in seinem 1896 erschienen Buch „Die Varusschlacht im Habichtswald“.

Gestützt auf die historischen Schriften des Tacitus und des Cassius Dio rekonstruierte er einen finalen Schlachtverlauf in den damaligen Sümpfen zwischen Margarethenegge und dem Looser Berg. Nur wirklich römische Funde wie Eisenwaffen oder Münzen fand Knoke nicht. Er vermutete damals, dass diese schwer zu finden wären, da sie im nassen Boden mit der Zeit verrosten würden.

Dieses Szenario vor der eigenen Haustür beflügelte die Fantasie der Menschen vor Ort, was heute noch zu finden ist: Immer am Tag vor Himmelfahrt (außer in Coronazeiten) marschiert eine Gruppe von grün gekleideten Männern hinter dem besagten römischen Legionär her. Der Schützenverein Leeden-Loose zelebriert sein traditionelles Fest.

Für die neue Fahne zum 75-jährigen Bestehen des Schützenvereins gab es drei Motiv-Vorschläge
Helmut Tiemann , der 86-jährige Ehrenschriftführer, kann sich noch gut an das Jahr 1973 erinnern. Der Verein feierte sein 75-jähriges Bestehen, aus diesem Anlass wurde die Römerfahne geweiht. Tiemann, der 35 Jahre Schriftführer war, berichtet, dass man damals drei Ideen für das Motiv der Fahne gehabt hätte. Durchgesetzt hat sich der Römerlager-Vorschlag des Looser Zahnarztes Hubert Katharina Röttgen. Die Herkensteine und der Giebel des Vereinslokals ‚Römerkrug‘ seien die beiden anderen Vorschläge gewesen. Das damals sehr beliebte Ausflugslokal, wurde von der Familie Micker über hundert Jahre betrieben und befindet sich in unmittelbarer Nähe der Wallanlage.

Das heutige Fahnenmotiv entwarf Hubert Röttgen. Der Zahnarzt war nicht nur bei den Schützen aktiv, sondern gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Heimatvereins Leeden. In dieser Funktion waren ihm sicherlich die ernüchternden Forschungsergebnisse zu Knockes ‚Varuslager‘ bekannt. Warum der Verein sich auf die Römer stürzte, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Die Deutungen des Gymnasialdirektors wurden damals in der wissenschaftlichen Welt belächelt und mehrfach widerlegt.

Die wissenschaftliche Welt lächelte über die Idee von Friedrich Knoke
Eine letzte Gegengrabung fand in den 1930er-Jahren durch den renommierten Archäologen Kurt Bittel statt. Er fand keine Anhaltspunkte für Knokes Theorie – Bittel widerlegte sie sogar, denn in näherer Umgebung ließen sich weitere wohl von Bauern angelegte Umrandungen im Wald finden. Bittels Urteil damals: ‚Da keinerlei Beweis für das Vorliegen einer römischen Anlage zu erbringen ist, hat das ‚Varuslager‘ als letzte Zufluchtsstätte des 9. nach Christus geschlagenen römischen Heeres für die Forschung auszuscheiden‘.

Möglicherweise gehören die Umrandungen zu den sogenannten ‚verlorenen Höfen‘ im Habichtswald. Röttgens Heimatvereinskollege Wolfgang Niehoff hatte 1966 anlässlich des Baus der Autobahn 1 in den Westfälischen Nachrichten darauf hingewiesen, dass der Schultenhof der Grafschaft ‚Schulte tom Hawixlo‘ bis heute unauffindbar im Staatsforst verschwunden sei.


Quelle: Westfälische Nachrichten