Wie Eltern von der kleinkindlichen Trotzphase über die Wackelzahnzeit am Ende des Kindergartens bis hin zur Pubertät im Teenageralter ihres Nachwuchses gechillt bleiben und den Humor nicht verlieren zeigte Matthias Jung am Samstag im Stiftshof. Vor über 70 Zuschauern präsentierte der Diplom-Pädagoge auf Einladung der Tecklenburg Touristik sein knapp zweistündiges Programm „Kinder sind was Schönes, haben sie gesagt– Von der Trotzphase bis zu Pubertät“. Berichte über seinen eigenen Nachwuchs oder Beobachtungen von Nachbarskindern sorgten für etliche Lacher.
Im rustikalen Ambiente auf der Stiftshofdiele basierte das Programm des zweifachen Vaters im ersten Teil auf seinem vor einigen Wochen erschienen Buch „Immer darf ich alles nie!: Erste Hilfe für Familien, die die Phase voll haben – Von Trotzphase bis Wackelzahnpubertät“ und entführte in den manchmal wahnsinnigen Familienalltag mit kleinen und älteren Kindern.
„Das erste halbe Lebensjahr sind Eltern einfach immer nur müde“, so Matthias Jung. Einschlafen sorgt für Freude und da entstehen Neidgefühle, dass „Dornröschen 100 Jahre schlafen kann“. Trotzenden Kindern sollten die Erwachsenen auf Augenhöhe begegnen, schildert der 46-Jährige augenzwinkernd. Schmeißt sich sein Kind quengelnd vorm Supermarktregal auf den Boden, lege er sich daher dazu.
Der Familien- und Pubertätscoach verriet dem Publikum – die meisten waren selbst Eltern oder Großeltern – Lebensweisheiten beim Umgang mit den lieben Kleinen: „Tiere riechen, wenn sie Angst haben. Kinder riechen, wenn wir es eilig haben.“ So sorgen Wutanfälle, wenn die falschen Schuhe im Flur stehen schnell für Hilfslosigkeit beim Vater. Klicke erst einmal der Anschnallgurt im Auto und sitze der Nachwuchs abfahrbereit, könne „ein kurzes Durchatmen auf dem Weg zum Lenkrad“ für Gelassenheit und Entspannung beim Erziehungsberechtigen sorgen – besonders wenn man eine über 30 Meter lange Stretchlimousine habe.
Der Spiegel-Bestsellerautor offenbarte pädagogische Anekdoten aus dem Familienalltag: „Meine Tochter hat fast 25 Minuten eine Schaufensterpuppe angeschaut.“ Da kam bei ihm die Frage auf: „Wer von den Beiden wird sich zuerst bewegen?“ Jung schlussfolgerte: „Kinder leben Achtsamkeit!“
„Genießen Sie Ihr Kind“, las der Experte in einem Erziehungsratgeber und fügte mit schwarzem Humor hinzu: „Nachts um Drei. Mit Magen-Darm. Da könne der Buchautor ja gerne mal mitgenießen.“
Matthias Jung beschrieb seinem Publikum, was heutzutage eine bedürfnisorientierte Erziehung sei. Diese müsse auch die Erwachsenenbedürfnisse berücksichtigen, weshalb beim Abschöpfen heiß gekochter Nudeln kurz vorm Abendessen „Wellness-Dampf“ über Küchenwaschbecken das Elterngemüt besänftige und die Erwachsenen eigentlich nur noch wie in einer entspannenden Sauna auf den „Barilla-Aufguss“ warten würden, um das Bedürfnis nach Entspannung zu komplettieren.
„Eltern sollten auf eigene Bedürfnisse achten“, empfahl Matthias Jung den Zuhörern. „Me-Time“ sorge für Zeit für sich selbst. Dennoch schien der Coach nicht ganz abgeneigt, dass sich seine Couch schützend unter ihn wirft, „wenn ich joggen gehen will“. „We-Time“, gemeinsame Zeit mit den Kindern, hingegen sorge manchmal für skurrile Momente, wenn die Tochter „mit einem Kissen vor dem Gesicht auf dem Sofa sitzt und ihre Freundin verlangt: Mäuschen, mach mal piep“.
Ausflüge in die Kinderzimmer seines Sohns und seiner Tochter können schmerzhaft sein, „wenn ich barfuß in den Lego-Einser-Stein oder in ein Schleich-Einhorn reintrete“. Die Motivation zum Aufräumen leide besonders in der Pubertät. „Dann“, so Matthias Jung, „weht ein anderer Wind – nämlich gar keiner“. Wenn er bei seinem 13-jährigen Sohn Pizzareste aus dem Kinderzimmer entfernen wolle, „bilden Ameisen eine Rettungsgasse“, erklärte der Pädagoge schmunzelnd. Manchmal höre er von innen den Saugroboter im Kinderzimmer an der Tür klopfen, „der aus dem dreckigen Zimmer befreit werden will“.
Tipps zur Förderung der Selbstwirksamkeit der Heranwachsenden gab Matthias Jung ebenso den teils lauthals lachenden Zuhörern mit auf dem Weg wie Hinweise zu kindlichen Schlafritualen, Tischmanieren oder zur elterlichen Gelassenheit, „wenn in der Pubertät der Hormonvulkan beim Nachwuchs ausbricht“. Dann könnten „die Atemübungen aus dem Geburtsvorbereitungskurs zehn Jahre später wieder wirken“ und für Gelassenheit sorgen.
Beim Thema Schule riet Matthias Jung: „Nicht Noten, sondern die Kinder selbst entscheiden über ihre Zukunft“. Gerade Jungen berichten ihren Eltern nicht viel vom Schulalltag. Auf die Frage „Wie war die Schule?“ erhalten die Erziehungsberechtigten manchmal verbal nur knappe Antworten „mit Subjekt, Prädikat und Objekt – jede Woche eins“.
Teenager seien mitunter „verpeilt“ und die Umbauprozesse im Gehirn sorgen für unterschiedliche Wahrnehmungen im Tagesablauf der Familien. Sollten die Jugendlichen sich fertig machen, weil ein Termin mit den Eltern ansteht, beobachtete Jung, dass „gleich nicht gleich gleich ist“.
Nach Matthias Jungs Vortrag, den sein leicht pfälzischer Spracheinschlag manchmal noch etwas salopper und humorvoller wirken ließ, konnte das Publikum mit dem Familienpädagogen aus Mainz ins Gespräch kommen und sich an seinem Büchertisch umschauen.
Quelle: WN, Björn Igelbrink