Vor 50 Jahren gründet Dr. Wilhelm Schilling seine Praxis in Leeden
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Tecklenburg-Leeden – Ärztenotstand auf dem Land? Das ist nicht nur aktuell ein Problem, das war es bereits vor über 50 Jahren. Damals hatte diese Zeitung darüber berichtet. Der Vater von Dr. Wilhelm Schilling hatte es gelesen und seinem Sohn davon erzählt. Das war 1966, in Kattenvenne. Der Sohn war damals Arzt am Uni-Klinikum Düsseldorf – und er entschied sich für eine Zukunft als Hausarzt auf dem Land. Am 1. Oktober 1969, also vor 50 Jahren, eröffnete der gebürtige Kattenvenner am Ostlandweg seine Praxis. Von Ruth Jacobus Mittwoch, 02.10.2019, 21:00 Uhr
Ob überhaupt Patienten kommen würden? Diese Frage habe sich der junge Arzt damals gestellt, weiß seine Tochter Dr. Birgit Schilling-Maßmann zu erzählen. Sie führt heute die Praxis gemeinsam mit ihrem Mann Dr. Volker Maßmann. Natürlich kamen damals Patienten. Einer von ihnen hat am Mittwoch sogar mit einem Blumenstrauß zum 50-Jährigen gratuliert. Das zeigt die Verbundenheit und das Besondere an einer Hausarztpraxis auf dem Land. Man habe über lange Zeit mit den Familien zu tun, kenne und behandele auch die Kinder und Enkel der Patienten. „Familienmedizin“ nennt das Birgit Schilling-Maßmann. „Ich bin damit groß und glücklich geworden.“
Doch zurück zu den Anfängen. Wilhelm Schilling, er ist im vergangenen Jahr verstorben, hatte seine Praxis mit drei Labors und einer Röntgenanlage modern ausgestattet. 1971 kam ein zweiter Arzt hinzu. „Es war eine der ersten Gemeinschaftspraxen in Nordrhein-Westfalen“, erzählt die Tochter. In Spitzenzeiten seien es sogar fünf Kollegen gewesen, die dort tätig waren. „Das hätte nie stattgefunden ohne meine Mutter. Sie hat die Organisation der Praxis übernommen“, erzählt die 55-Jährige.
Am 1. Juni 1993 ist Birgit Schilling-Maßmann, Allgemein- und Ernährungsmedizinerin, in die Praxis eingestiegen. 2000 kam ihr Mann hinzu. 2002 hörte ihr Vater, damals 68 Jahre alt auf – nach 33,5 Jahren.
Dass sie einmal in die Praxis einsteigen würde, war für die Leedenerin keine Frage. Und sie hat es auch nie bereut – im Gegenteil. Die Medizinerin wirbt bei Studenten dafür, Hausarzt zu werden. „Das ist die Königsdisziplin“, betont sie und verweist auf die Vielseitigkeit im Berufsalltag. „Man muss von allem etwas wissen.“ Das bekommen die künftigen Mediziner hautnah mit, wenn sie zum Beispiel ihr Blockpraktikum in der medizinischen Lehrpraxis in Leeden absolvieren.
Natürlich hat sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten einiges geändert. Damals habe man fast alles selbst gemacht, zum Beispiel die Laborleistungen. „Heute werden die Blutproben um 11 Uhr abgeholt und um 16 Uhr sind die Ergebnisse da“, beschreibt die Medizinerin einen Unterschied. Früher hätten Sprechstunden bis 22 oder 23 Uhr gedauert. Da hätten die Patienten in einer benachbarten Kneipe gesessen und dort gewartet, bis sie an der Reihe waren, erzählt die Ärztin schmunzelnd. „Heute gibt es geregelte Arbeitszeiten.“ Das sei auch gut so, denn sonst würde man keinen Nachwuchs finden.
Was man auch wissen muss: „Eine Arztpraxis ist ein Betrieb – Personalführung und Bürokratie gehören dazu.“ Gerade letzteres sei nicht weniger geworden. Der Papierkram mache ein Drittel der Zeit aus. Hier wünscht sich die Medizinerin mehr Fortschritte in Deutschland. „Wir kommen mit der IT nicht hinterher. Im Baltikum ist man viel weiter.“ Doch die Leedenerin geht mit der Zeit. „Wir bieten online eine Terminvergabe an“, nennt sie ein Beispiel. Rezepte können per Whats-app bestellt werden.
Bei allem steht stets der Patient im Vordergrund. Das gilt nicht nur bei der Behandlung, sondern auch bei der Organisation in der Praxis. Es gebe grundsätzlich keine Wartezeit, die länger als 15 Minuten dauere. „Wartezeit ist Lebenszeit des Patienten“, so die Maxime.
Was wünscht sich Birgit Schilling-Maßmann für die Zukunft? Da muss sie nicht lange nachdenken. „Dass es weiterhin Hausärzte gibt.“ Und wirbt sofort wieder für diesen Beruf, der für einen Arzt Unabhängigkeit bedeute. Was ihr selbst am meisten am Herzen liegt? „Für den Patienten da zu sein, das ist richtig wichtig.“
Quelle: Westfälische Nachrichten