Gesichter des Alltags faszinieren

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Petra Neitsch fotografiert Senioren und plant eine Ausstellung
Gesichter des Alltags faszinieren

Tecklenburg-Leeden – Petra Neitsch war nicht sicher, ob sie ihr Vorhaben wird umsetzen können. Die Hobby-Fotografin will Gesichter von Leedenern fotografieren und ausstellen. Einzige Bedingung: die „Models“ müssen älter als 80 Jahre sein.
Von Michael Baar

Petra Neitsch wartet nur darauf, dass es die Bedingungen der Corona-Pandemie zulassen, ihre Bilder zu zeigen. Es sind nicht irgendwelche Fotos, die die 54-Jährige gemacht hat. Es sind Porträts von Frauen und Männern, die in Leeden leben und allesamt mehr als 80 Lenze zählen. Wie die Hobby-Fotografin auf diese Idee gekommen ist?

Angefangen hat alles mit einer riesigen Enttäuschung. „Ich war mit meinem Mann in Schottland, der dort einen Marathon lief“, erzählt sie. Fasziniert von der Landschaft im hohen Norden der britischen Insel „haben wir fotografiert, was das Zeug hielt“. Wieder daheim dann das böse Erwachen: „Die Fotos gaben nicht annähernd wieder, was wir gesehen haben.“

„ Die Fotos gaben nicht annähernd wieder, was wir gesehen haben. “ Petra Neitsch

Die digitale Sucherkamera, die das Ehepaar mitgenommen hatte, wird als Schuldige ausgemacht. „Wir haben eine Neue gekauft und dann feststellen müssen, es liegt nicht am Apparat, sondern an dem, der dahinter steht.“ Heute lacht sie über diesen Lerneffekt.

Die beiden ziehen die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis. Jürgen Neitsch bildet sich fort in Sachen Fotografie, gibt sein Wissen an seine Frau Petra weiter. Und auch bei den Kameras wird aufgerüstet, Schluss mit den Sucher-Apparaten. Petra Neitsch legt sich zwei Nikon Vollformat-Systemkameras zu, ihr Mann setzt auf Leica.

Während sich Jürgen Neitsch auf Landschafts-Bilder konzentriert, geht seine Frau einen anderen Weg. „Es reizt mich, Menschen zu fotografieren“, erzählt sie. Egal, wo sie die trifft. Und das Ehepaar kommt weit herum. „Wir sind Vielreisende“, lacht die 54-Jährige. Anfänglich habe es Überwindung gekostet, fremde Menschen anzusprechen und zu fragen, ob sie sie fotografieren dürfe.


Ein Foto der Mutter liefert die Idee fürs Projekt

Auf die Idee mit den älteren Menschen hat sie ein Foto gebracht, das sie von ihrer Mutter geschossen hat. „Ich bin auch in einer Fotogruppe, und da haben wir das Thema ‚Jung und Alt‘. Als ich die Hände meiner Mutter sah, habe ich gedacht, wie schön die sind.“ Der Gedanke lässt sie nicht mehr los. „Die Idee, ältere Leute zu fotografieren, spukte mir im Kopf rum.“

Die Frage, wie sie an geeignete Models kommt, hat sie dann ganz pragmatisch gelöst. „Ich habe in der Leedener Facebook-Gruppe einfach mal gefragt, wer ältere Menschen kennt und wessen Omi oder Opi ich vielleicht fotografieren dürfte.“ Von der Resonanz ist sie überwältigt. Gehofft hatte sie auf bis zu zehn Senioren, geworden sind es 16.

Eine erste Überlegung, die Senioren in einen Handspiegel schauen zu lassen, auf dessen Glasfläche ein Jugendbild der jeweiligen Person zu sehen ist, verwirft sie schnell. „Ich will die Alltagsgesichter haben“, beschreibt sie ihren Anspruch. Den setzt sie um, indem sie von jeder Person zwei Porträts macht, eins frontal, eins seitlich über die Schulter blickend. „Und die Hände fotografiere ich auch“, fügt Petra Neitsch hinzu.

„ Wenn ich glatte Haut sehen will, kann ich einen Baby-Pop fotografieren. “ Petra Neitsch

Einwände des ein oder anderen Seniors – „ich bin zu alt und viel zu faltig“ – hat sie resolut beiseite gewischt. „Wenn ich glatte Haut sehen will, kann ich einen Baby-Popo fotografieren.“

Zehn Aufnahmen hat sie im Kasten, für die weiteren sechs wird sie etwas mehr Zeit benötigen. Ein Kreuzbandriss im linken Knie bindet sie momentan mehr oder weniger ans Haus.

Irgendwann werden diese Aufnahmen im Rahmen einer Ausstellung im Stiftsort zu sehen sein. Die 54-Jährige hat Kontakt zu Gerhard Wellemeyer, dem Vorsitzenden der Interessengemeinschaft, aufgenommen. „Der war sofort Feuer und Flamme“, strahlt sie. Spätestens im nächsten Frühjahr, so hofft Petra Neitsch, wird es was mit der Ausstellung im Stiftshof. „Wenn Corona das zulässt.“
Quelle: Westfälische Nachrichten